Der Bandscheibenvorfall
Die Bandscheibe besteht aus dem Gallertkern (Nucleus pulposus, gallertartige Flüssigkeit) und einem Faserring (Anulus fibrosus). Bei einer einfachen Vorwölbung (Bandscheibenprotrusion) ist der Faserring noch intakt, allerdings verlagert sich der Gallertkern nach außen und drückt so auf die Spinalnerven.
Schmerzen sind die Folgen, eine Rückbildung ist aber noch möglich - anders beim Bandscheibenvorfall (-prolaps).
Hierbei ist der Faserring massiv verletzt, flüssiges Gewebe des Gallertkerns entfließt und drückt ebenfalls auf die Spinalnerven, die gallertartige Flüssigkeit fließt aber nicht mehr einfach zu ihrem Kern zurück, die Nervenkompression bleibt also erstmal bestehen. Die Therapie ist fast dieselbe.
Ursachen:
Ein Bandscheibenvorfall hat meist degenerative Ursachen, sprich er ist meist Folge des Verschleißes und der Alterung der Bandscheiben.
Die Bandscheibe, sogenannter "Puffer" der Wirbelsäule, verliert im Laufe der Jahre an Elastizität.
Ebenso Überbelastung, zu viel Körpergewicht, ein "zu langer Rücken" im Verhältnis zum restlichen Körper des Hundes (vermehrte Schwingung in der Wirbelsäule, die Bandscheiben müssen verhältnismäßig mehr abfedern, daher auch der Begriff "Dackellähme") kann einen Bandscheibenvorfall begünstigen, die Bandscheibe nutzt sich schneller ab.
Traumata, plötzliche Erschütterungen, kongenitale (angeborene) Veränderungen der Wirbelsäule wie beispielsweie Keilwirbel (oft Bulldoggenrassen) sind natürlich auch begünstigende Faktoren.
Lediglich 15 % aller Bandscheibenvorfälle passieren im Halsbereich (zervikal), die meisten Vorfälle, 66-83% geschehen im thorakolumbalen Bereich (Übergangsbereich der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule).
Mögliche Symptome des zervikalen Vorfalls:
Schmerzen und Überempfindlichkeit im Halsbereich, je nach Stärke der Nervenkompressionen Tetraparesen (Teillähmungen) der Gliedmaße(n), Lahmheit, steifer Gang, verminderte Reflexe in den Vordergliemaßen, dafür gesteigerte Reflexe und gesteigerter Muskeltonus in den Hintergliedmaßen.
Mögliche Symptome des thorakolumbalen Vorfalls:
Neurologische Ausfälle der Hintergliedmaßen, (hochgradige) Rückenschmerzen, Inkontinenz, Paresen und Tetraparesen, Ataxie, vermehrter oder verminderter Muskeltonus (Muskelspannung), Museklhartspann, Hyperästhesie (Überempfindlichkeit), aber auch Störungen bis Verlust der Tiefensensibilität(Propriozeptionsdefizite), u. v. m.
Wie ihr seht - je nach betroffenem Abschnitt der Wirbelsäule sind die Symptome auch teilweise sehr unterschiedlich.
Die Diagnose vom Tierarzt wird neben der neurologischen Untersuchung via CT und/oder MRT gestellt.
Ein Bandscheibenvorfall kann konservativ oder chirurgisch behandelt werden.
Bei einem chirurgischem Eingriff wird das "ausgeflossene" Banscheibenmaterial entfernt und somit eine sofortige Dekompression herbeigeführt. Je nach Schwere entscheiden sich manche Besitzer auch für den konservativen Weg, der eine maximale Ruhigstellung des Patienten für mindestens zwei Wochen vorgibt (Boxenruhe).
Anschließend beginnt ein langer Rehabilitationsweg - Betroffene brauchen also vor allem Geduld!
Physiotherapie ist in beiden Szenarien wirkunsvoll und anzuraten. Schon während der Ruhighaltungsphase sollte bereits mit passiven Bewegungsübungen am liegenden Hund begonnen werden. Massagen, um weiteren Verpannungen entgegenzuwirken, sind ebenso ein "Muss".
Ich persönlich habe zum Beispiel die besten Erfahrung mit mittelfrequentem Strom (Amplimed) gemacht, da dieser die Schmerzen reduziert und die geschädigten Nerven anregt. Ebenso hat sich kalt gepulstes Rotlicht mittels Repuls als Therapiebegleitung als erfolgreich herausgestellt, da es eine raschere Regeneration der Zellen begünstigt.
Idealerweise sollte die Stromtherapie in den ersten Wochen mehrmals in der Woche angewandt werden. Ebenso starte ich von Anfang an mit der Reizung des Flexorreflexes und der Tiefensensibilität mittels leichtes Kneifen in die Zwischenzehenhaut. Nach ca. 2 Wochen der Ruhigstellung beginne ich mit assistiertem Stehen und leichten Isometrischen Übungen (ebenfalls im assistierten Stehen, Sicherheit geht vor). Zur Messung des Fortschritts wird im Verlauf der Besuche immer wieder der Stellreflex abgefragt (eine Pfote wird im Stand umgeklappt, sodass der Patient auf dem "Pfotenrücken" steht). Je schneller der Patient seine Pfote richtigstellt, desto besser der Fortschritt.
Nach und nach werden die Spaziergänge gesteigert, von beispielsweise 5 Minuten auf 10, von 10 auf 15 und so weiter...Das Laufen auf unterschiedlichen Untergründen wie Sand, Stöcker, Steine usw. sollte für die Sensibilität unbedingt mit eingebaut werden!
Einen Wochenplan oder genauen Plan möchte ich an dieser Stelle jetzt nicht festlegen - die Rehaphase ist bei jedem Hund unterschiedlich und muss immer individuell betrachtet werden. Ganz wichtig ist es auch, den Besitzer mit an die Hand zu nehmen, in die Gleichgewichtsübungen mit einzubinden und mehrmals am Tag auch machen zu lassen, genauso wie im (im späteren Verlauf) in die aktiven Übungen zum Muskelaufbau und Propriozeptionstraining.
Wie ihr seht, ist das Thema gar nicht so allgemein und einfach.
Manche Hunde hatten nur eine Vorwölbung oder regenerieren einfach schneller, sicherlich spielt hier auch das Alter eine Rolle. Jüngere Kandidaten erholen sich meistens schneller.